Trachten heute – mehr als ein modischer Spleen?
Abstract
Zunehmend bin ich verwirrt. Das hängt vielleicht mit meinem Alter zusammen, in erster Linie aber mit Erscheinungen, die mir manchmal geradezu die Orientierung nehmen: junge Menschen in Lederhosen und Dirndlkleidern, Burschen in karierten Hemden, Mädchen mit ausladenden Spitzendekolletés … Tatsächlich hat in den letzten Jahren die Renaissance der Tracht stattgefunden. Fragt man in einer Vorlesung, wer denn eine solche nicht gar sein eigen nennt, dann schnallen bei mehr als der Hälfte der Studierenden die Hände hoch – und das ohne rot zu werden! Plötzlich sehe ich alt aus, obwohl es doch noch gar nicht so lange her ist, dass Trachten nicht nur als konservativ und rückwärtsgewandt betrachtet wurden, sondern auch als belastet, als Ausdruck einer von den Nationalsozialisten gepflegten „Blut und Boden“-Ideologie.